Geld

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Moderator: Comedix

Polemix

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Beitrag: # 52016Beitrag Polemix »

Welche Währung findet ihr besser ? € oder DM ? ;-)
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Iwan
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Re: Geld

Beitrag: # 52020Beitrag Iwan »

Interessanter Fragenmix, den du da zusammengebraut hast! Als bekennender Europäer: Euro, ganz klar! Und um die vielleicht nächste Frage vorwegzunehmen: Nein, man sollte den auf keinen Fall wieder abschaffen, und nein, auch nicht Griechenland draus rauswerfen ...
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Erik
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Re: Geld

Beitrag: # 52024Beitrag Erik »

Hallo Christian,
Iwan hat geschrieben:Als bekennender Europäer:
ein überzeugter Europäer ... ja, das war ich auch mal. :roll: Allerdings nicht in Bezug auf die Einführung des Euro. Da hätte ich - bei einer fiktiven Volksabstimmung - damals dagegen gestimmt; meine Skepsis überwog. Heute bin ich allerdings auch nicht mehr für eine Abschaffung. Die Rückkehr zu nationalen Währungen würde vieles verkomplizieren, gerade im grenzüberschrietenden Handel und Reiseverkehr.

Die Gemeinschaftswährung beizubehalten wird allerdings auch nicht einfach. Das wird uns - und damit meine ich alle Euro-Staaten - noch viele Anstrengungen und große Krisenfestigkeit abverlangen. Denn da sind noch viele Fragen ungeklärt (z.B. wie man jemals aus dieser Niedrigzinsphase wieder herauskommen will).

Gruß
Erik
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Michael_S.
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Re: Geld

Beitrag: # 52026Beitrag Michael_S. »

Erik hat geschrieben:Denn da sind noch viele Fragen ungeklärt (z.B. wie man jemals aus dieser Niedrigzinsphase wieder herauskommen will).
Warum sollte man da unbedingt heraus wollen?

Auch wenn Wirtschaftsexperten gerne etwas anderes erzählen: Für mich ist der Kapitalmarkt immer noch ein ganz normaler Markt, an dem Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Und da es im Moment dank allgemeinem Wohlstand sehr viele Menschen mit sehr viel Kapital gibt, herrscht ein großes Angebot und Kapital ist billig. Also sind die Zinsen niedrig. Hoch gehen sie erst wieder, wenn Kapital knapp wird, zumindest in Relation zur Nachfrage. Dazu kann man es vernichten (das effektivste Mittel dazu ist Krieg) oder unter staatliche Kontrolle stellen (das politische Konzept dazu ist der Kommunismus). Beides sind für mich keine erstrebenswerten Aussichten. Da verzichte ich lieber auf ein paar Euro Zinseinnahmen auf meinem Sparkonto. Kaufe ich halt drei Tüten Gummibärchen weniger, dann hab' ich das fast wieder kompensiert. ;-)
Polemix hat geschrieben:Welche Währung findet ihr besser ? € oder DM ?
Den Euro natürlich. Die D-Mark nimmt doch so gut wie niemand.
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Iwan
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Re: Geld

Beitrag: # 52028Beitrag Iwan »

Hallo

Das Problem für uns ist ja immer, den Menschen zu erklären, warum eigentlich Europa als Vereinigung eine gute Idee ist. Das habe ich vor allem bei den Urlauben in der Schweiz, aber auch in Deutschland, erlebt. Ich verweise dann immer auf die beiden großen Errungenschaften der Einheitswährung und der Reisefreiheit bzw. Möglichkeit. Früher war ein Urlaub in Griechenland ein gigantisches Abenteuer, für das man erst mal, wenn man auf dem Landweg hin wollte, österreichisches, jugoslawisches, evtl. italienisches oder albanisches Geld brauchte - und dazu einen Reisepass, der dann z. B. keinen amerikanischen Einreisestempel haben durfte, wenn man an der albanischen Grenze keine gigantischen Probleme kriegen wollte. Ich denke, dass diese Schwierigkeiten heute beseitigt wurden, ist eine der großen Errungenschaften Europas, die ohne die Gemeinschaftswährung kaum möglich gewesen wären.
Zuletzt war übrigens der Umrechnungskurs eine Mark = 1000 Lira oder 800 Drachmen. Die Unterschiede innerhalb der Eurozone waren also tatsächlich nicht gerade klein.
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Iwan
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Re: Geld

Beitrag: # 52029Beitrag Iwan »

Noch eine Anmerkung zu Michaels Post: Meines Wissens - ich kann es aber nicht beschwören - müssen die Banken auch heute noch Markscheine annehmen und in Euro wechseln. Jedenfalls liest man ja auch heute noch gelegentlich von D-Mark-Schätzen, die in Wohnungen von Senioren gefunden werden, wenn deren Erben alles ausräumen. Es kann aber sein, dass auch da in der Zwischenzeit eine Frist abgelaufen ist.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob zum Beispiel DDR-Mark oder sogar Reichsmark heute noch angenommen würden.
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Erik
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Re: Geld

Beitrag: # 52031Beitrag Erik »

Hallo,
Michael_S. hat geschrieben:Für mich ist der Kapitalmarkt immer noch ein ganz normaler Markt, an dem Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Und da es im Moment dank allgemeinem Wohlstand sehr viele Menschen mit sehr viel Kapital gibt, herrscht ein großes Angebot und Kapital ist billig. Also sind die Zinsen niedrig. Hoch gehen sie erst wieder, wenn Kapital knapp wird, zumindest in Relation zur Nachfrage.
das stimmt, glaube ich, nur teilweise. Es ist zwar richtig, daß derzeit einfach sehr viel Geld im Spiel ist. Das hängt aber nicht mit dem allgemeinen Wohlstand zusammen, sondern damit, daß die EZB den Geldmarkt mit unglaublichen Summen von Geld flutet bzw. geflutet hat. Die Gesamtsumme der verfügbaren Euros bestimmt nämlich die EZB.

Viel maßgeblicher für das Zinsniveau ist aber der Leitzins, den die EZB festlegt. Das ist der Zins, zu dem sich Banken bei der EZB Geld beschaffen können. Da der derzeit bei Null ist, gibt es für die Banken keinerlei Anreiz, ihren Kunden Zinsen zu zahlen. Wozu auch, wenn sie anderweitig Geld viel billiger bekommen?

Die Niedrigzinsphase ist nicht nur de facto eine Enteignung aller Sparer (um die Teuerungsrate), sondern vor allem besteht die Gefahr, daß man bald Geld dafür wird zahlen müssen, daß man sein Vermögen bei der Bank liegen haben darf. Ich finde das keine verlockende Aussicht.
Iwan hat geschrieben:Das Problem für uns ist ja immer, den Menschen zu erklären, warum eigentlich Europa als Vereinigung eine gute Idee ist. Das habe ich vor allem bei den Urlauben in der Schweiz, aber auch in Deutschland, erlebt. Ich verweise dann immer auf die beiden großen Errungenschaften der Einheitswährung und der Reisefreiheit bzw. Möglichkeit.
Wobei der Euro ja gerade nicht die ganze EU betrifft und auch der Schengen-Raum nicht identisch mit dem EU-Gebiet ist. Insofern ist es zwar richtig, daß die meisten Menschen diese Aspekte an dem Zusammenrücken der europäischen Staatengemeinschaft schätzen. Aber wenn man den Wert der EU erklären will, sollte das idealerweise eigentlich mit Argumenten möglich sein, die auch wirklich die EU als solche betreffen. - Tatsächlich fällt mir da aber auch immer weniger ein, wenn ich mir diesen "Verein" so ansehe.
Iwan hat geschrieben:Noch eine Anmerkung zu Michaels Post: Meines Wissens - ich kann es aber nicht beschwören - müssen die Banken auch heute noch Markscheine annehmen und in Euro wechseln.
Bei der Bundesbank kann man sie unbefristet umtauschen. Daß das noch bei normalen Banken möglich wäre, wüßte ich nicht.

Gruß
Erik
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Iwan
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Re: Geld

Beitrag: # 52032Beitrag Iwan »

Hallo

Danke, Erik, für die weiterführenden Erklärungen und Wegweiser durch den Finanzdschungel :D
Um zum ganz ursprünglichen Thema zurückzukehren: Für mich war eines der Zeichen, dass der Euro mittlerweile in den Köpfen angekommen ist, diese Tatsache: Im vorletzten "James Bond"-Film, nämlich "Skyfall", hat der Held zum ersten Mal bei seinem fast schon obligatorischen Kasinobesuch für die Chips Euros erhalten, statt wie bisher britische Pfund oder Dollar.
Ja, ich weiß, das ist an sich kein stichhaltiger Punkt, aber ich fand es trotzdem eine aufschlussreiche Szene ....

Beste Grüße
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Comedix
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Re: Geld

Beitrag: # 52033Beitrag Comedix »

Erik hat geschrieben:Aber wenn man den Wert der EU erklären will, sollte das idealerweise eigentlich mit Argumenten möglich sein, die auch wirklich die EU als solche betreffen.
Mir fällt dazu sehr viel ein. Zu allem jedoch muss man sagen, dass wir uns auf dem Weg zu den "Vereinigten Staaten von Europa" noch ganz am Anfang befinden. Leider spielen die Interessen der Einzelstaaten noch eine zu große Rolle, weil auch die wirtschaftlichen Unterschiede zu groß sind. Das ist die größte Herausforderung auf diesem Weg: Nämlich die Wirtschaftskraft aller Länder vergleichbar zu machen. Dazu werden die reichen Länder Opfer bringen müssen und dass das in Deutschland nicht gerade populär ist, sollte klar sein. Aber nur dann können die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit in allen Ländern der EU die gleichen Gesetze und Bestimmungen gelten. Und das ist wiederum eine Voraussetzungen für das Ziel.

Das Ziel, dass wir es, mal von lokalen kriegerischen Handlungen abgesehen, geschafft haben, seit 1945 uns lieber am Tisch die Kompromisse abzuringen, als uns gegenseitig umzubringen. Für mich hat die Europäische Union zurecht 2012 den Friedensnobelpreis bekommen. Damit wurde die jüngere friedensstiftende Geschichte Europas gewürdigt. Sicher, es ist nicht alles Gold was glänzt und es gibt noch Vieles zu tun. Doch ich sehe mich auch als überzeugter Europäer, weniger als national-politischer Deutscher. Und bitte nicht falsch verstehen. Mit "national-politisch" meine ich nicht, dass wir nicht stolz auf das sein können, was Deutschland inzwischen ausmacht. Sondern nur dass man mit dem Einzelstaatendenken aufhören sollte, wenn Europa mehr sein will als eine geographische Bezeichnung.

Gruß, Marco
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Michael_S.
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Re: Geld

Beitrag: # 52034Beitrag Michael_S. »

Erik hat geschrieben:Viel maßgeblicher für das Zinsniveau ist aber der Leitzins, den die EZB festlegt. Das ist der Zins, zu dem sich Banken bei der EZB Geld beschaffen können. Da der derzeit bei Null ist, gibt es für die Banken keinerlei Anreiz, ihren Kunden Zinsen zu zahlen.
Und warum setzt die EZB ihn auf nahezu Null? Weil sie glaubt, durch billige Kredite die Wirtschaft ankurbeln zu können. Dumm nur, dass in Zeiten großen Wohlstandes mit einer seit Jahrzehnten nahezu stetig wachsenden Wirtschaft und einer ohnehin bestehenden Überproduktion (siehe aktuell bei den Milchpreisen) einfach niemand in großem Stil Geld leihen will. Irgendwann ist mit Wachstum halt mal Ende. In dem Augenblick, in dem das vermeintliche Wachstum (welches in Euro gerechnet wird) und die Teuerungsrate (die sich ebenfalls auf Preise in Euro bezieht) auf demselben Niveau liegen, haben wir de facto ein wirtschaftliches Gleichgewicht erreicht. Nur die Zahlen wachsen noch, aber die Relationen zueinander bleiben gleich. Meiner Meinung nach ist das ein ganz natürlicher Effekt in einer funktionierenden Wirtschaft - Wachstum quasi Null, Teuerung quasi Null, niedriges Zinsniveau.

Leider gibt es Wirtschaftsexperten, die aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen glauben, dass Wachstum und Teuerung lieber bei 3% liegen sollten. Dass das effektiv nur dazu führt, dass nach ein paar Jahren alle Zahlen größer sind, aber niemand wirklich mehr hat, scheint niemanden zu interessieren. Und um dieses Ziel zu erreichen, hält die EZB das Zinsniveau derzeit noch niedriger, als es ohnehin wäre.
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Comedix
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Re: Geld

Beitrag: # 52035Beitrag Comedix »

Michael_S. hat geschrieben:Leider gibt es Wirtschaftsexperten, die aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen glauben, dass Wachstum und Teuerung lieber bei 3% liegen sollten.
Das kann rein rechnerisch nur Grenzen haben, denn wenn das Wachstum jedes Jahr 3 Prozent beträgt, dann erhöht sich der Grundbetrag jedes Jahr und die 3 Prozent werden mit jedem Jahr einen größeren Betrag ausmachen. Das ist dann die natürliche Grenze des Wachstums. Womöglich muss man sich Gedanken über andere Messgrößen des wirtschaftlichen Erfolgs machen.
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Re: Geld

Beitrag: # 52036Beitrag Erik »

Hallo,
Michael_S. hat geschrieben:Und warum setzt die EZB ihn auf nahezu Null? Weil sie glaubt, durch billige Kredite die Wirtschaft ankurbeln zu können. Dumm nur, dass in Zeiten großen Wohlstandes mit einer seit Jahrzehnten nahezu stetig wachsenden Wirtschaft und einer ohnehin bestehenden Überproduktion (siehe aktuell bei den Milchpreisen) einfach niemand in großem Stil Geld leihen will.
der große Wohlstand betrifft aber allenfalls Deutschland und ein paar wenige andere Staaten (Benelux, Skandinavien). In weiten Teilen der übrigen EU sieht es wirtschaftlich eben gerade nicht rosig aus. Und die dortige "Kreditklemme" beruht eher auf der Angst vor einer neuen Bankenkrise - die Banken haben kein Vertrauen mehr in die Wirtschaft, weil sie schon zuviele faule Kredite in ihrem Betsand haben und keine weiteren Risiken einzugehen bereit sind. Diese Situation ist es, die die EZB im Blick hat und weshalb sie die Nullzinspolitik betreibt, nicht die Situation in Deutschland.
Comedix hat geschrieben:Mir fällt dazu sehr viel ein. Zu allem jedoch muss man sagen, dass wir uns auf dem Weg zu den "Vereinigten Staaten von Europa" noch ganz am Anfang befinden.
Mal abgesehen davon, daß ich bezweifle, ob das wirklich wünschenswert wäre (das wäre eine Abschaffung des Grundgesetzes!), sehe ich derzeit eine deutlich entgegengesetzte Entwicklung. In weiten Teilen Europas sind europakritische Parteien auf dem Vormarsch - teilweise sogar an der Macht.
Comedix hat geschrieben:Das ist die größte Herausforderung auf diesem Weg: Nämlich die Wirtschaftskraft aller Länder vergleichbar zu machen. Dazu werden die reichen Länder Opfer bringen müssen und dass das in Deutschland nicht gerade populär ist, sollte klar sein.
Du würdest ganz Europa in Grund und Boden opfern, wenn Du die Wirtschaftskraft von Portugal oder Griechenland an die Deutschlands angleichen wolltest. Es gibt einfach Länder, die gute Industriestandorte sind, und Länder, in denen Industrie aus unterschiedlichen Gründen sich kaum ansiedeln wird. Und das mit Tourismus, Landwirtschaft u.ä. auszugleichen wird nur sehr teilweise möglich sein. Auch innerhalb Deutschland klappt das ja schnon nicht: Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern sind sehr viel wirtschaftsschwächer als Bayern und Baden-Württemberg. Und das kann man auch nicht unmittelbar ausgleichen.

Wenn Europa wirtschaftlich erfolgreich sein will, muß es Wirtschaftsmotoren geben - und da ist Deutschland nun einmal traditionell stark. Das abzuschwächen würde ganz Europa schaden. - Besser wäre es, eine Art "Länderfinanzausgleich" innerhalb der EU zu schaffen. Das würde aber voraussetzen, daß jeder Mitgliedstaat sich nach Kräften bemüht, nicht Empfänger zu sein, sondern Geber - also seine Wirtschaftskraft zu entwickeln - und zudem mit seinen Finanzmitteln zu haushalten. In der tat bedürfte es dazu einer gemeinsamen Wirtschafts- und Haushaltspolitik. Nur prallen in dem Bereich Welten und Ideologien aufeinander.

Ich denke, es gibt wahrlich Staaten, in denen weitere Europäisierungen noch deutlich weniger populär sind als in Deutschland!
Comedix hat geschrieben:Für mich hat die Europäische Union zurecht 2012 den Friedensnobelpreis bekommen. Damit wurde die jüngere friedensstiftende Geschichte Europas gewürdigt.
Ja, dem stimme ich uneingeschränkt zu. Nur geht es momentan mit der EU doch deutlich abwärts. Es gibt zwei große Probleme:

1. Zu viele Mitgliedstaaten haben eklatante Demokratie- und Rechtsstaatsdefizite und/oder eine blühende Korruption (z.B. Ungarn, Polen, Rumänien, Bulgarien).
2. Die Bereitschaft zu Solidarität, zum Hinantanstellen der eigenen nationalen Interessen gegenüber den Interessen des großen Ganzen von Europa, ist bedauernswert schwach ausgeprägt. Bei den Briten war sie das schon lange ("Britenrabatt", Unverbindlichkeit der EU-Grundrechte, Ausstiegsklauseln etc. pp.), bei mehreren Osteuropäern ist sie es in zunehmendem Maße.

Wenn man diese beiden Punkte nicht in den Griff bekommt - und mir geht da zunehmend der Optimismus ab -, dann wird nicht nur eine weitere europäische Integration scheitern, sondern wahrscheinlich auch der bisher erreichte Stand jedenfalls in der praktischen Fortführung gefährdet.

Gruß
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Comedix
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Re: Geld

Beitrag: # 52037Beitrag Comedix »

Erik hat geschrieben:Wenn man diese beiden Punkte nicht in den Griff bekommt - und mir geht da zunehmend der Optimismus ab -, dann wird nicht nur eine weitere europäische Integration scheitern, sondern wahrscheinlich auch der bisher erreichte Stand jedenfalls in der praktischen Fortführung gefährdet
Deshalb meinte ich, dass wir auf dem Weg sind. Ich bin mir sehr sicher, dass sich diese Entwicklung wieder umkehren wird. Alles untersteht dem stetigen Wandel und die Staaten, die sich jetzt noch nach außen abschotten, werden an Wirtschaftskraft verlieren, denn die Staaten mit einer guten wirtschaftlichen Entwicklung wirken wie ein Magnet auf die Arbeitskräfte in diesen Ländern. Und wenn die Wirtschaft dort nicht läuft, werden die, die jetzt an Einfluss gewonnen haben, wieder an Einfluss verlieren. Vielleicht nicht in 5 oder 10, aber sehr wahrscheinlich in 15 oder 20 Jahren.

Währenddessen wird sich der europäische Gedanke in den Köpfen der meisten Europäer weiter entwickeln. Kompromisse und demokratische Entwicklungen brauchen einfach mehr Zeit als Kriege und Konflikte. Nur würde ich mir beispielsweise bei den Entscheidungen des EU-Ministerrats wünschen, dass bei bestimmten Themen, bei denen eine Einstimmigkeit vorgeschrieben ist (z. B. Steuern oder Sozialpolitik), diese ersetzt wird durch eine qualifizierte Mehrheit. Es kann nicht sein, dass einzelne Staaten unabhängig von ihrer Bedeutung in der EU ein Vetorecht besitzen.

Gruß, Marco
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Re: Geld

Beitrag: # 52038Beitrag Erik »

Hallo Marco,
Comedix hat geschrieben:Nur würde ich mir beispielsweise bei den Entscheidungen des EU-Ministerrats wünschen, dass bei bestimmten Themen, bei denen eine Einstimmigkeit vorgeschrieben ist (z. B. Steuern oder Sozialpolitik), diese ersetzt wird durch eine qualifizierte Mehrheit. Es kann nicht sein, dass einzelne Staaten unabhängig von ihrer Bedeutung in der EU ein Vetorecht besitzen.
was passiert, wenn man eine - zulässige - Mehrheitsentscheidung entgegen dem Willen einiger Mitgliedsstaaten trifft, haben wir ja bei dem Beschluß zur Verteilung der 160.000 Flüchtlinge gesehen: die überstimmten Staaten erkennen den Beschluß einfach nicht an und torpedieren die Umsetzung. Denn zumindest faktisch geht die nur im Konsens.

Wenn man Entscheidungen gegen Mitgliedstaaten teffen und die Umsetzung erzwingen will, bräuchte man zuerst ein wirkungsvolles Sanktionsinstrumentarium. Und das ist auf staatlicher Ebene sehr schwer zu etablieren. Mal abgesehen davon, daß jede Vertragsänderung bei den 28 Mitgliedstaaten schon unter günstigen Bedingungen aufwändig wäre und derzeit wohl gleich was sie betrifft an irgendeinem der Staaten scheitern würde, wird eine Einigung über Kompetenzerweiterungen jedenfalls auf absehbare Zeit garantiert keine allgemeine Zustimmung erfahren. Daran würde wohl nicht einmal der Austritt der Briten etwas ändern.

Gruß
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Re: Geld

Beitrag: # 52039Beitrag Iwan »

Hallo zusammen

Das ist ja genau das Problem, glaube ich: Auf der einen Seite ist die Bevölkerung in der EU. Die ist an sich durchaus nicht EU-kritisch eingestellt, sondern ist vor allem mit der sogenannten Regulierung der Kommission unzufrieden. Und wohl auch noch mit dem ganzen Flüchtlingsthema und Finanzfragen, wobei in all diesen Themen kräftig von Politikern und Stammtischleuten Halbwissen und sogenannte Wahrheiten verbreitet werden.
Auf der anderen Seite stehen die Regierungen mancher Nationalstaaten, die eifrig alles bekämpfen, was ihre Souveränität beeinträchtigen können.
Für uns Außenstehende wirken etwa Polen oder Ungarn wie ein Block. Aber wir vergessen dabei, dass die Bevölkerung ganz andere Gründe haben kann, gegen die EU zu sein, als sie von der Regierung vorgebracht werden. In Deutschland hat zum Beispiel auch ein Seehofer als Ministerpräsident ganz andere Gründe, warum er gegen die EU, gegen die Regierung und was weiß ich wen alles hetzt, als die AfD, die ja behauptet, auszudrücken, was die Menschen meinen, aber nicht sagen dürfen.

Wenn versucht werden soll, Europa wieder in den Köpfen der Menschen präsent werden zu lassen, muss man darum ganz anders vorgehen, als wenn man dasselbe bei den Regierungen erreichen will.

Die Menschen, so glaube ich, kann man noch am ehesten begeistern, indem man auf die Vorteile verweist, die Europa für jeden von uns bietet. Natürlich ist die Reisefreiheit ein Produkt des Schengener Abkommens, und natürlich ist der Euro nicht die EU, aber beides hätte es wohl kaum ohne EU gegeben. Daneben sollte man die Menschen auch darauf hinweisen, wie schwer es früher war, etwa Geschäftskontakte zu einem Nachbarstaat aufzubauen oder ein Austauschsemester oder Praktikum woanders zu machen.
Die Staatschefs oder unter ihnen Ministerpräsidenten von Ländern, Provinzen oder was auch immer sind daran weniger interessiert, sondern mehr daran, ihre wie auch immer ausgedrückte Souveränität zu wahren.
Durch solche Handel, mit denen die Zustimmung eines Staates zu etwas erkauft wurde, entstanden dann Dinge wie der Briten-Rabatt und anderes.

Das bedeutet wohl, dass eine europäische Super-Regierung im Moment nur wenig Chancen hat, weil staatliche Regierungen und Institutionen kaum bereit sind, auf Macht und Kontrolle zu verzichten.
So lange aber Regierungen sich gegen die EU stellen, werden deren Bevölkerungen nur schwer von der Idee zu überzeugen sein.

Ich fürchte, das war etwas gar wirr formuliert, hoffe aber, trotzdem verstanden worden zu sein ....
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