Hallo,
Nullnullsix hat geschrieben: 31. März 2021 00:44Mit der einen(!) Ausnahme, dass bei Asterix ein 'Doping-Mittel' existiert, das übermenschliche Kräfte verleit
ganz so singulär ist das bereits bei Goscinny letztlich nicht, wie Du mit der Bezugnahme auf "Kampf" ja auch schon ausführst. Tatsächlich wird bereits in "Gallier" erwähnt, dass es auch ein Rezept für einen Trank gebe, der unverwundbar macht ("aber das ist eine andere Geschichte..."). Man braucht aber auch gar nicht allein "Kampf" heranzuziehen, um weitere konkrete Zaubertränke und -mittel bei Goscinny zu finden. "Asterix und die Goten" - mithin gleich der dritte Band der Originalreihenfolge - führt das Karnutenwaldtreffen ein, in dem es mannigfaltige Zauberwirkungen gibt (von denen bereits früh im Band der Legionär Fidibus einer ausgesetzt wird). Nun kann man wohl sagen, dass diese Wirkungen zumeist nicht handlungsentscheidend sind. Aber auch das ist nicht durchgehend so. In "Trabantendtadt" spielen die Eicheln, die die Bäume in Sekundenschnelle nachwachsen lassen, eine erhebliche Rolle. Und wie hätten Asterix und Miraculix wohl die "Olympischen Spiele" ohne ein zuvor im Kessel nicht erkennbares Blaufärbemittel für Zungen zum Guten gewandt?
Wann immer Goscinny es brauchte, hat auch er zu weiteren Wundermitteln gegriffen. Der gemeinsame Nener war allerdings, dass diese in aller Regel auf Druidenkunst beruhten. Wobei Obelix in "Streit" durchaus eine naturgegeben bzw. unerklärt bleibende übernatürliche Robustheit zeigt, die auf den Zaubertrank alleine wohl nicht zurückzuführen sein kann, wenn er gegen Taubenus' Keulenschlag auf seinen winzigen Helm völlig immun ist - diesen nicht einmal bemerkt. Und auch in Worten sprechende bzw. denkende oder sich sonst menschlich verhaltende Tiere - den Hasen mit Krückstock hatte ich bereits in einem vorigen Beitrag erwähnt - kommen in Goscinny-Alben vor und weichen von der realen Welt sicherlich ab.
Richtig ist und bleibt, dass die übernatürlichen Elemente erst bei Uderzo als Texter eine gewisse Überhand gewinnen. Das fängt an bei der von ihm erschaffenen Kurzgeschichte "Der gallische Frühling" und geht weiter ab Band 25, wo wir es zunächst mit den aufgeblasenen Römern zu tun bekommen, gefolgt von Regengesang, fliegenden Teppichen, telekinetisch kämpfenden Fakiren, einem Schlangen- bzw. Seilbeschwörer, den Fabeltieren, der Reise nach Atlantis bis hin zu den Außerirdischen und deren Raumschiffen und Klonkriegern.
Ob man das alles gut findet, muss jeder selbst entscheiden. Ich könnte mir Asterix auch weitgehend ohne solche Elemente gut vorstellen - wenngleich das das Reisen eben schwieriger machen würde. Allerdings finde ich schon, dass, wenn man grundsätzlich akzeptiert, dass eine Serie sich auch fortentwickelt, die Entwicklung in die Richtung des Einbaus derartiger Elemente, um den Handlungs- und Gagrahmen zu erweitern, keine unlogische ist. Die Schwäche der - und im Vergleich zu den Goscinny-Bänden wahrscheinlich so ziemlich aller - jüngeren Asterix-Bände liegt jedenfalls meiner Meinung nach nicht in dem Einsatz solcher Elemente einschließlich des Auftritts von Fabelwesen begründet, sondern in der begrenzten Fähigkeit der Texter, damit eine durchdachte, stimmige, humorvolle, temporeiche und einigermaßen kanonische Geschichte zu erzählen, in denen Anspielungen und Karikaturen sich beiläufig flüssig einfügen ohne wie mit dem Holzhammer präsentiert zu wirken.
Wenn Goscinny einen Asterix-Band mit entsprechenden Elementen - und seien es auch Außerirdische - erzählt hätte, so wäre es wahrscheinlich ein zeitloser Klassiker geworden, den man immer wieder gerne liest.
Gruß
Erik