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Die letzten Tage von René Goscinny

aus: "Lire", Jérôme Dupuis, November 2007
aus dem Französischen übersetzt von Jaap Toorenaar

Links sind redaktionelle Hinweise der Comedix-Redaktion

"Bis gleich, mein Kätzchen!" - mit diesen liebevollen Worten verlässt René Goscinny seine Tochter Anne, 9 Jahre jung, am Morgen des 5. November im Jahre 1977. Es ist Samstag und der Schöpfer des "Asterix" hat einen Termin für eine schlichte Herzuntersuchung bei seinem Arzt. Um 10 Uhr lässt sein Fahrer ihn an der Klinik im Parc Monceau, 21 rue de Chazelles, im 17. Arrondissement von Paris aussteigen. Er wird von seiner Ehefrau Gilberte begleitet - diese beiden lassen sich nie allein. Der Kardiologe bittet ihn sein Hemd auszuziehen und befestigt Elektroden auf seinem Oberkörper. "Monsieur, treten Sie in die Pedale...". Nach einigen Augenblicken aber macht René Goscinny eine Pause: "Herr Dokter, ich habe Schmerzen am Arm und die Brust tut weh...". "Treten Sie noch 15 Sekunden", antwortet der Kardiologe. Diese 15 Sekunden werden eine Ewigkeit dauern. Der Patient bricht plötzlich zusammen. Seine Frau Gilberte nimmt ihn in die Arme. Er ist tot. Herzstillstand. Es ist 10.30 Uhr. René Goscinny war 51 Jahre alt.

Der Mensch, der so brutal an diesem Samstagmorgen stirbt, ist ein Star auf dem Höhepunkt seines Ruhmes als Drehbuchautor - immer unerschrocken seine drei Erfolgsserien Astérix, Lucky Luke und Isnogoud weiterführend. Aber dieser junge Fünfziger - im Kreis seiner Freunde hatte er seinen fünfzigen Geburtstag im August 1976 in der Esquinade in Nizza gefeiert - befand sich zweifellos an einem Wendepunkt seines Lebens. Seit einiger Zeit hatte er Abstand genommen, nicht ohne Bitterkeit, von dem was während 15 Jahren seine Tage ausgefüllt hatte: die Zeitschrift Pilote. Seitdem träumt er vom großen Schriftsteller, von Riesenproduktionen im Stil von Walt Disney, von neuen Horizonten.

Wie sieht also das Leben von René Goscinny in diesem Herbst des Jahres 1977 aus? Die Lektüre seines Kalenders und seiner Korrespondenzen bieten einen eindringlichen Einblick. Dieser Heißhungrige arbeitet Tag und Nacht an seiner Schreibmaschine, in seinem Büro im Appartement an der 56, rue de Boulainvilliers. Er hat gerade zusammen mit Morris ein neues Abenteuer des Lucky Luke (Le fil qui chante) beendet. Gleichzeitig hat er nach der Neuerscheinung von "Obelix Gmbh & Co. KG" im vergangenen Jahr seinem alten Komplizen Uderzo das Szenario des 24. Albums "Asterix bei den Belgiern" geliefert. Schließlich gibt Isnogoud jede Woche seinen Kommentar auf die Aktualität in der Zeitung "Le Journal du Dimanche" von sich.

Durch den internationalen Erfolg dazu gezwungen reist er regelmäßig auf Einladung von außenländischen Verlagen durch Europa. Immer begleitet von Gilberte, mit der er ein unzertrennbares Paar bildet. "Das einzige Mal, als sie das nicht machte, bei einem Blitzbesuch an London, wartete sie den ganzen Tag auf ihn in Roissy", erinnert sich ihre Tochter Anne. Nach Berlin verbringt das Paar eine Woche in Norwegen. Ende Juni. Zurückgekehrt wohnen sie am 2. Juli der Hochzeit von Isabelle Tchernia, der Tochter von Goscinnys Freund Pierre Tchernia, bei. Ein fröhliches Fest unter Freunden auf dem Lande.

Ach, die Freunde... Der Kalender von René und die Zettelchen der Abendessen an der rue de Boulainvilliers, die Gilberte fleißig aufbewahrt hat, bieten einen Einblick in richtig komplizierte Verhältnisse. Da gibt es einen engen Kreis, der sich fast jede Woche trifft: Ada und Albert Uderzo, der Jazzmusiker Claude Bolling - der die Musik für den letzten Zeichentrickfilm von Goscinny "La Ballade des Dalton" schreiben wird -, die Tchernias, der Kinderarzt Julien Cohen-Solal und dessen Frau. Dann all diese Stars des Großen Schachbretts dieser Jahre: Guy Béart, Gérard Calvi, Rosy Varte - die in Le Viager nach einem Drehbuch von Goscinny und Tchernia gespielt hat - Roger Borniche, Louis Nucéra, Marcel Camus (der Erfinder von Orfeu Negro), die Verlegerin Françoise Verny, der Forscher Francis Mazière. "Einige Tage vor seinem Tod hatten wir ein Abendessen zusammen", erinnert sich Julien Cohen-Solal, den Goscinny spaßhalber "meinen spät entdeckten Jugendfreund" zu nennen pflegte. "Diese Abende waren immer sehr lustig und René stand immer im Mittelpunkt. Wissen Sie, er ist vielleicht der intelligenteste Mensch, dem ich je begegnet bin."

Goscinny ist also eine allseits beanspruchte Persönlichkeit. Im Juli wird er zweimal im Êlysée von Präsident Giscard d'Estaing eingeladen: am 11. für einen Empfang von der "Association internationale des parlementaires de langue française"; am 14. für die traditionelle Gartenparty. "Mein Vater liebte diese Zeichen der Würdigung" versichert seine Tochter Anne. Als Freund des guten Stils belegt er Besprechungen in den teueren Restaurants (La Tour d'Argent, Allard oder La Marée).

In den Medien ist es das Fernsehen, das ihn als guten Kunden betrachtet. Einige Tage vor seinem Tod fanden in der rue de Boulainvilliers die Aufnahmen der Serie Trente "Mille d'Amis" statt. Mit trockenem Humor sagt der Schöpfer von Idefix und Ratanplan, während er seinen Hund Octave streichelt: "Ich mag keine Tiere mit der Ausnahme wenn sie sich in einem Dutzend anbieten, wie Schnecken und Austern...". Auch die schreibende Presse beschlagnahmt ihn häufig und in diesem Sommer bringt Paris Match Abenteurer von Lucky Luke heraus. Ergebnis ist ein freundliches Schreiben von Marcel Dassault am 8. Juli, in welchem er Goscinny auffordert ab und zu mal von einer Mitarbeit an der Wochenzeitschrift Jours de France, wovon er Direktor ist, zu träumen. "Das werde ich in der Zukunft tun" antwortet ihm der Drehbuchautor ebenso höflich.

Aber die Hauptbeschäftigung von René Goscinny bilden in jenem Herbst 1977 die Studios Idéfix, die er vor drei Jahren gegründet hatte. Das größte Filmatelier für Zeichentrickfilme Frankreichs, ein Disney-Traum an den Stadttoren von Paris. Im Gebäude von mehreren Stockwerken findet man das non plus ultra der Technologie: die erste Kopiermaschine Rank Xerox mit zwei senkrechten Kameras, ein Aufnahmestudio, einen Kinosaal. Goscinny und Uderzo, die riesige Geldsummen in dieses industrielle Unternehmen investieren, stellen 50 Personen ein, darunter ein alter Fuchs aus den Disney Studios, Bob Maxfeld, und zwei große Nummern, die mit Paul Grimault zusammengearbeitet haben: Henri Gruel und Pierre Watrin. Nichts ist zu schön. Sogar wenn keine Filmproduktion in den Studios läuft bezahlt man die Gehälter monatelang weiter, dies im Gegensatz zu der geläufigen Praxis der Filmindustrie. "Man kündigt nicht, man hält die Studios offen!" erklärte Goscinny.

"Es war ein Ritual: jeden Freitagnachmittag um 15.00 Uhr kamen die Herren Uderzo und Goscinny in die Studios um die "line tests", die Sequenzen, die wir in der Woche entworfen hatten, anzusehen", erinnert sich Patrick Cohen, in der Zeit ein ganz junger Zeichner. "Herr Goscinny reichte äußerst freundlich jedem der bezahlt wurde die Hand bevor er in den Kinosaal trat. In der Erwartung des Urteils zitterten wir alle." Nach der Produktion von "Les 12 Travails d'Astérix", im vorigen Jahr herausgekommen, leitet Goscinny "La Ballade des Dalton". Einige Wochen vor seinem Tod nimmt er selbst die Stimme von Jolly Jumper auf. "Ich erinnere mich, dass er an einem der letzten Freitage kam und zuschaute, wie Lucky Luke sich eine Zigarette anzündete und sagte 'Vielleicht sollen wir damit aufhören. Gleich wird die Kommission der Zensur uns noch auffordern alles von neuem zu machen!'". Spruch des großen Rauchers der Pall-Mall-Zigaretten - die wohl nicht ganz ohne Verschulden an seinem vorzeitigen Sterben sind...

Wer weiß was aus diesen ultramodernen Studios hätte werden können? "Nach dem Lucky Luke sollten wir uns mit einer originellen Geschichte um einen Elefanten beschäftigen; er arbeitete daran mit Pierre Watrin. Er hatte bereits Bühnenbilder und kolorierte Entwürfe", erinnert sich Patrick Cohen. Er hätte eine Art europäischer Disney sein können, versichert sein Freund Cohen-Solal: "Ich frage mich, ob er nicht die Absicht hatte, eines Tages als "Sieger" in die USA zurückzukehren, dorthin, wo er in seiner Jugend tollwütige Kühe gegessen hatte..." Und dazu prickelte das "wirkliche" Kino ihn seit "Le Viager" ebenso sehr. "Meine Mutter hat mir erzählt, dass er der Comic-Produktion müde geworden war und dass er vielleicht tatsächlich damit aufgehört hätte", erzählt Anne. Im Übrigen wird die Welt des Kinos ihm nach seinem Tod in Jahre 1978 einen "Cäsar" verleihen.

Professionelle Sorgen und intimes Drama

In diesem Sommer im Jahre 1977 verlässt er die Studios nur für eine Reise nach Israel, zusammen mit Gilberte, Anne und, jawohl, der Familie Cohen-Solal. Es war seine erste Reise nach Israel für ihn, dem kleinen Juden, der in Buenos Aires aufgewachsen war. "Ich stellte ihm Moka Limon vor, den Mann, der den Veteranenaufstand von Cherbourg geleitet hatte", erinnert sich Cohen-Solal. Die beiden Freunde gehen sogar im Toten Meer baden. "Er fing an zu schwimmen, eher anfängerhaft, man muss das sagen, und dann, als er sich umdrehen wollte, war er fast ertrunken! Ich musste ihn suchen gehen!" amüsiert sich Cohen-Solal. In Jerusalem ist Goscinny von der Klagemauer sehr beeindruckt. "Er hat ein Stück Papier in die Ritzen der Steine gepresst" erinnert sich Anne. Als ich ihn fragte, was er darauf geschrieben hatte, antwortete er mir: "Dass Mama und du lange glücklich sein dürft..."

Es handelt sich hier nicht um einen frommen Wunsch. Denn hinter der Maske des Mannes, dem alles zulacht, ist René von Ängsten erfüllt. Berufsmäßige Sorgen und ein persönliches Drama bilden das Leitmotiv dieses fatalen Herbstes im Jahre 1977. Berufsmäßige Sorgen? Der Vater des Asterix hat bekanntlich die letzten Jahre bei "Le Pilote" keine schöne Zeit gehabt, ein Assistent ohne Macht am Anfang all jener Zeichner, zu deren Laufbahn er soviel beigetragen hatte. Aber aufgrund eines Konfliktes mit Georges Dargaud - zuerst verhüllt, dann aber ausgesprochen - verdoppelte sich die Bitterkeit. Dargaud ist nicht nur der Mann, der ihn an die Führung von Pilote gebracht hat und der Verleger von Asterix und Lucky Luke, sondern auch der Pate von Anne. Eine erste Differenz entzweite sie schon vor einigen Jahren, als Goscinny und Uderzo entdeckt hatten, dass der Verleger eine Kommanditgesellschaft in Belgien gegründet hatte mit den Zeichnungen von Asterix ohne sie auch nur zu informieren. Nachdem ihm dieses unschöne Verfahren verziehen wurde, nehmen Goscinny und Dargaud, der Aktieninhaber der Studios Idéfix ist, wieder gemeinsam das Mittagsmahl seit Anfang 1977.

Aber der Verleger hat möglicherweise nicht ganz mitgekriegt, wie sehr sein Autor ein Star geworden ist. Goscinny beschwert sich darüber, dass Asterix zu wenig gefördert wird. Vor allem hat er Schwierigkeiten mit den hohen Lizenzgebühren, die Dargaud auf die ausländischen Übersetzungen, besonders in Deutschland, erhebt. Der Verleger trifft nicht die Maßnahmen die sein Freund Goscinny verlangt. Dann macht dieser das Unvorstellbare: er fordert mittels einer einstweiligen Verfügung die Beschlagnahme des letzten Lucky Luke, "Le Fil qui chante". Und erhält sie am Mittwoch, den 2. November, drei Tage vor dem fatalen Samstag. Zur gleichen Zeit ein anderer unerhörter Beschluss; er verlangt von seinem Freund Uderzo, dass er seine Pinsel bei Seite 37 von "Asterix bei den Belgiern" niederlegt. Der eiserne Arm ist gewaltig. Er kann nur Narben bei einem Beunruhigten wie Goscinny hinterlassen. "Ohne Zweifel wäre der nächste Schritt der Übergang zu einem eigenen Verlag gewesen" lautet die Analyse seiner Tochter Anne.

Aber diese juristischen Irrwege sind nichts im Vergleich zum persönlichen Drama das ihn vor einem Jahr getroffen hat. Gilberte, seit 17 Jahren seine Lebensgefährtin, hat Brustkrebs gekriegt. "Ich war mit ihm im Wartesaal als man uns die Diagnose erzählte" erinnert sich Julien Cohen-Solal. "Er schaute mich an und sagte schlicht "Wir werden nie mehr glücklich sein". Sehr erschöpfende Bestrahlungen fingen an. Immer begleitet René seine Frau. "Ich verstand nie, was diese berühmte Bestrahlungen waren" erzählt Anne. "Ich weiß, dass sie meiner Mutter einige Stunden der Ruhe besorgten und dass sie ins Theater oder Restaurant gingen. Dann kehrten sie heim und meine Mutter sperrte sich ins Bad ein um sich zu erbrechen. Mein Vater stand vor der Tür und weinte". In jenem Herbst im Jahre 1977 erreichte die Behandlung einen Höhepunkt. "Ich weiß von den schwierigen Tagen, die ihr verbracht habt" schreibt ein guter Freund am 30. Oktober an René. Er gewährt Gilberte ihre geringeren Wünsche. Auch sorgt er im August in Jerusalem dafür, dass eine bereits geschlossene Kunstgalerie wieder geöffnet wird, damit er für sie Aquarelle, die ihr gefielen, kaufen konnte. "Er ist am Krebs meiner Mutter gestorben", fasst Anne zusammen.

Hat er in den letzten Monaten nur an den Körper gedacht? Auf jeden Fall waren diese Monate mit körperlichen Sorgen übersät. Im Mai eine Vireninfektion der Leber und eine Augenentzündung. "An meinem Geburtstag war sein Gesicht entstellt und hatte er sich in sein Zimmer eingeschlossen" beichtet Anne. Im September eine ernstere, alarmierende Sache: Das amerikanische Krankenhaus stellt eine Angina pectoris fest. Der Arzt verbietet ihm die Zigaretten - sofort hört René Goscinny auf zu rauchen - und verschreibt ihm ein Medikament mit der Präzisierung: "Sie werden jeden Tag bis an ihr Lebensende zwei Pillen davon einnehmen!". Schlagfertig die Antwort des Humoristen: "Herr Arzt, darf ich dennoch zwei Schachtel davon kaufen?". "Ich sehe ihn wieder vor meinen Augen im Augenblick, als wir das Krankenhaus verliessen", erinnert sich Pierre Tchernia. Im Flur spielt er den Flüchtling mit dem kleinen Koffer, es war der umherschweifende Charlot. Dann dreht er sich um und sagt: "Sie sehen vor sich einen der am besten bezahlten Humoristen der Jetztzeit!".

Kurz gesagt: Goscinny ist ein überarbeiteter, besorgter Mensch, der die üppigen Mahlzeiten sowie einen kleinen Whisky on the rocks als Aperitif liebt. "Jeden Sonntagmorgen machten wir einen Spaziergang um den See vom Bois de Boulogne" sagt Julien Cohen-Solal. "Die letzten Male fand ich ihn ein wenig müder als sonst", erinnert sich Patrick Cohen, der ihm jeden Freitagnachmittag in den Studios Idéfix begegnet. "Wir hatten eine dramatische Überschwemmung in unseren Räumen und er sagte uns: "Noch so eine unangenehme Überraschung und uns bleibt nur noch uns eine Kugel durch den Kopf zu schießen". Und dazu ahmte er die Handlung nach. An einem der letzten Male als er kam war der Aufzug, der zum Kinosaal hochführte, kaputt. Der Mitarbeiter der mit ihm zusammen über die Treppe hochstieg, war durch sein rohes Atmen, das den ganzen Raum füllte, überrascht.

Die letzte Woche von René Goscinny ähnelt den vorangegangenen Wochen. Jeden Abend trägt er der Tochter Anne ein Gedicht von Prévert vor ("La Seine a de la chance / Elle se la coule douce..."). Am Donnerstag liefert er, grinsend wie immer, seine Entwürfe von Isnogoud beim "Journal du Dimanche" ab. Am gleichen Tag empfängt er bei sich zuhause Serge de Beketch, einen alten Kumpel von Pilote. "Er stellte seine bösartige Höflichkeit zur Schau", fasst Letzterer zusammen. Er zeigt ihm das letzte Schiffsmodell das Uderzo ihm geschenkt hat und erinnert an seine Enttäuschungen mit Dargaud. Ausnahmsweise besucht er in dieser Woche die Studios Idéfix schon am Donnerstag und sieht sich die neuen Sequenzen mit Rantanplan und Averell an. Er war der Meinung dass der große Dalton auf der Leinwand nicht doof genug wirkte. "Bis nächsten Freitag!", sagt er im Weggehen zu allen Mitarbeitern.

Am Freitagnachmittag vor seinem Tod gibt er der Zeitschrift "Zoom" ein letztes Interview. In Bezug auf die technischen Schwierigkeiten eines Zeichentrickfilms kann er es nicht unterlassen zu spaßen: "Eines der Probleme ist, dass Lucky Luke sich auf einem Pferd fortbewegt und dass jedes Pferd vier Beine besitzt, was eine peinliche Entdeckung war für die Zeichner...". Und dann, fast nostalgisch: "Als Uderzo, Morris und ich aufhörten unsere ersten Leser zu sein, sind wir wirkliche Geschäftsleute geworden. Ich werde nicht behaupten wie alle Fünfzigjährige mit dickem Bauch, zu welchen ich gehöre "Ich bin ein Kind geblieben". das ist nicht wahr, man bleibt kein Kind." Am Freitagabend ein wenig Entspannung: er ist bei der Generalprobe des Schauspiels das sein Freund Bernard Haller im Palais des Arts organisiert anwesend. "Es gefällt mir, mir vorzustellen wie mein Vater sich bis zu seinem letzten Abend auf Erden amüsiert hat", bekennt Anne...

"Wer hat René umgebracht?"

Man kennt die Fortsetzung. Die Begegnung in der Klinik in der rue de Chazelles. Das Fahrrad. Die Herzkrise. Und eine stechende Frage, von seinem Freund Guy Béart in einem Lied zu dieser Szene aufgeworfen: "Wer hat René Goscinny umgebracht?". Eine dornige Frage. Musste dieser Anstrengungstest durchgeführt werden nachdem gerade eine Angina pectoris festgestellt worden war? Wieso hat der Arzt den Test nicht abgebrochen als der Patient sich über Schmerzen beschwerte? Der Zeichner Fred erinnert sich: "Am Tag seines Todes rief Gilberte mich an und sagte "Es sind die Ärzte die ihn umgebracht haben!". Der "Kasus Goscinny" hat durch seinen Widerhall in den Medien eine Modifikation der Gesetzgebung in Bezug auf die Anstrengungstests bewirkt: diese dürfen in der Zukunft nur noch in der Nähe eines Wiederbelebungsdienstes durchgeführt werden.

Also hat jeder über die Debatte in den Medien hinaus seine Theorie zu den tieferen Gründen dieses brutalen Todes, der all seine Verwandten verblüfft hat. Für Anne, man hat es gesehen, ist es der Krebs ihrer Mutter gewesen, der diesen "ewigen Vater" (wie sie ihren letzten Roman getauft hat) umgebracht hat. "Es ist die Zigarette die ihn getötet hat!" denkt seinerseits der Zeichner Tibet, wem Hergé eines Tages sagte: "Goscinny starb vor zuviel Arbeit!" Aber vielleicht ist es der Zeichner Mézières, Vater des Valérien, der die Absurdität dieses Verscheidens am besten andeutet: "An einer herzkrise sterben in Anwesenheit seines Kardiologen, das ist doch ein verheerender schwarzer Humor, oder?"


 

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